Obermain.Jura: Ein Puzzle aus keltischen Scherben
Weithin sichtbar erhebt sich der Staffelberg bei Bad Staffelstein über den sanften Hügeln des Obermain.Jura. Als „Berg der Franken“ ist er nicht nur landschaftlich markant, sondern auch Zeuge einer langen Siedlungsgeschichte. Franke durch und durch ist auch Karl-Heinz Müller, der sich wie kaum ein anderer mit den Kelten auf dem Staffelberg auskennt.
Hallo, mein Name ist Caro Feller, ich wohne in Ingolstadt im Süden des Naturpark Altmühltal, komme aber ursprünglich aus der Nähe von Aschaffenburg und habe in Erlangen studiert – bin also eine waschechte Fränkin. Deshalb bin ich auch als Redakteurin so gerne draußen in Frankens wildromantischer Natur, quirligen Städten und idyllischen Orten unterwegs und schreibe über spannende Begegnungen mit sympathischen und liebenswerten Menschen.
Mit den Hausbesuchen begleiten wir Einheimische bei ihrem täglichen Wirken im Urlaubsland Franken. Heute begebe ich mich mit Karl-Heinz Müller auf Zeitreise zu den keltischen Vorfahren der Franken.
Sonntagmorgen, sechs Uhr früh. Gerade geht die Sonne über dem weithin sichtbaren Bergplateau des Staffelbergs auf. Die perfekte Zeit für Karl-Heinz Müller, um mit dem Aufstieg zu beginnen. Seine Mission: keltische Keramikscherben – Relikte aus der Zeit zwischen 750 und 30 v. Chr., als die Kelten auf dem Staffelberg siedelten.
Im Geröll an den Steilhängen sucht der gebürtige Staffelsteiner nach keltischen Scherben. Kreuz und quer ist er am Staffelberg unterwegs. Eine Genehmigung erlaubt es ihm, sich im dortigen Naturschutzgebiet auch abseits der Wege aufzuhalten. Wanderer dagegen erreichen den Gipfel auf ausgeschilderten Routen: Unter anderem führt der Keltenweg D „auf’n Staffelberg nauf“, wie Karl-Heinz Müller sagt. Auf dieser Route ist er auch als städtischer Wanderführer sehr gerne unterwegs und zeigt Besuchern die Schönheit der Region. Und hier, im Obermain.Jura, lässt es sich einfach perfekt wandern, radeln oder eben „zeitreisen“; darüber hinaus ist im Maintal die alte Tradition des Korbflechtens noch sehr lebendig. Und wer kommt nicht ins Staunen beim Anblick der Eckpunkte des „Fränkischen Dreigestirns“, das neben dem Staffelberg aus dem Kloster Banz und der Basilika Vierzehnheiligen besteht?
Auf dem markanten „Berg der Franken“ jedenfalls würde sich der „normale“ Wanderer schwer tun, die beige-bräunlichen oder graphitfarbenen Tonscherben aus der Keltenzeit zu entdecken, da sie sich kaum vom grauen Riffdolomit des Berges unterscheiden. Dafür braucht es ein geübtes Auge: „Mittlerweile habe ich einen Blick dafür und sehe sie sofort“, sagt Müller. Auch wenn die Scherben für Laien unscheinbar wirken – ihm als Experten erzählen sie eine ganze Menge. Farbe und Fundort etwa lassen Rückschlüsse auf die Datierung zu. Müllers Entdeckungen wandern in den heimischen Keller, wo er sie als „Puzzleteile“ in mittlerweile über 60 Kisten einsortiert.
Die Mühen der Geschichte
Die keltischen Relikte zu sammeln, ist mühevoll. Karl-Heinz Müller arbeitet mit bloßen Händen und braucht weder Handschuhe noch Sonde. Die Scherben sucht und findet er direkt an der Erdoberfläche. „Von der Suche habe ich sogar Schwielen an den Händen“, ergänzt er schmunzelnd. Auf diese Weise nähert er sich Sonntag für Sonntag den Kelten. Deren Blütezeit am Staffelberg dauerte etwa von 120 bis 30 v. Chr. In diesem relativ kurzen Zeitraum erfuhr der Staffelberg seine größte überregionale Bedeutung in vorgeschichtlicher Zeit.
„Ich habe einen Blick für die Spuren der Kelten, mittlerweile entdecke ich sie wirklich sofort.“
Karl-Heinz Müller
Einige Tausend Menschen lebten damals in der stadtähnlichen, 53 Hektar großen und stark befestigten keltischen Siedlung auf dem Staffelberg-Hochplateau und auf der darunter liegenden Hochfläche. Die Stadt über dem Maintal, ihr Name war wohl Menosgada, muss ein mächtiges Oppidum (so bezeichneten die Römer die stadtähnlichen Anlagen der keltischen „Barbaren“) gewesen sein, umgeben von einer 2.800 Meter langen Wallanlage.
Keltischer Daumenabdruck
Für Karl-Heinz Müller endet seine sonntägliche Staffelbergtour immer um neun Uhr: Dann öffnet die Staffelbergklause gegenüber der Adelgundiskapelle, er gönnt sich eine Einkehr und begutachtet seine Schätze: „An einem guten Vormittag komme ich auf eine Handvoll Scherben.“
Die für ihn (emotional) wertvollste Scherbe, die er jemals gefunden hat, war der Henkelteil eines Tonkruges mit dem Daumenabdruck eines Kelten. Leider haben ihm Langfinger diese Scherbe entwendet. „Das tut mir heute noch weh“, bedauert Müller seinen Verlust. Die spektakulären Funde der Ausgrabungen hingegen sind sicher im Bad Staffelsteiner Stadtmuseum untergebracht, wo für sie ein eigener Ausstellungsraum geplant ist. Die Schätze von Karl-Heinz Müller dürfen noch in seinem Keller bleiben: „Da werde ich mich im Puzzeln versuchen, wenn ich mal alt und geduldig genug bin.“
Wer möchte, kann sich nun auch auf eine Zeitreise zu den Kelten begeben und vielleicht selbst den ein oder anderen“ Schatz“ finden. Unter www.bad-staffelstein.de gibt es Informationen zum Staffelberg, zu Führungen und den Museen sowie zu den verschiedenen Freizeitmöglichkeiten der Region. Bad Staffelstein ist an das überregionale Bus- und Bahnnetz angeschlossen und zum Beispiel von Nürnberg oder Bamberg aus gut erreichbar. Da Teile des Staffelberges unter Naturschutz stehen, abschließend noch ein Hinweis zum umsichtigen Verhalten in der Natur.