Blätterbad im Lieblichen Taubertal
Christina Voit aus dem Lieblichen Taubertal ist eine besondere „Bademeisterin“: Wer mit ihr unterwegs ist, springt nicht ins kühle Nass, sondern taucht beim Waldbaden ein in ein Meer aus grünen Blättern und entdeckt eine Stille voller beruhigender Geräusche.
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Wenn man Wein mit Familiennamen (und Sisi mit Vornamen) heißt, passt es wunderbar, wenn man über den Frankenwein schreiben darf. Und über Frankens kulinarische Besonderheiten. Über Natur, Traditionen und Kultur. Und nicht zuletzt über unglaublich spannende und gastfreundliche Menschen, die das Urlaubsland so besonders machen. Das tue ich nun, seitdem ich vor rund 20 Jahren als Journalistin vom Bayerischen Wald in den Naturpark Altmühltal gezogen bin.
Mit den Hausbesuchen begleiten wir Einheimische bei ihrem täglichen Wirken im Urlaubsland Franken. Für mich steht heute Waldbaden auf dem Programm. Bei Christina Voit tauche ich in die beruhigende Atmosphäre der Natur ein und erlebe die Kraft des Waldes mit allen Sinnen.
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Handy aus und Tempo raus: Das ist der erste Tipp, den Christina Voit den Teilnehmer:innen ihrer geführten Waldbade-Spaziergänge gibt. Denn die nächste Stunde unter dem Blätterdach ist eine Zeit, die nur ihnen gehört und in welcher der Wald seine heilsame Wirkung entfaltet.
Seit dem Jahr 2019 ist Christina Voit zertifizierte „Waldbadebegleiterin des Tourismusverbandes Liebliches Taubertal“ und bringt Gruppen das näher, was in Japan unter dem Begriff „shinrin yoku“ schon seit den 1980er Jahren als Bestandteil eines gesunden Lebensstils gepriesen wird. Da das Waldbaden entschleunigt und beruhigend auf Körper und Seele wirkt, wird es dort mittlerweile sogar ärztlich verordnet. Wörtlich übersetzt bedeutet „shinrin yoku“ Baden in der Waldluft. Aber es umfasst noch mehr, wie Christina Voit erklärt: „Waldbaden, das ist das achtsame und absichtslose Schlendern durch den Wald und Verweilen im Wald, wobei alle Sinne weit offen sind.“
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Ohne Absicht, aber mit allen Sinnen auf Empfang
Gerade die Absichtslosigkeit fällt nicht wenigen zunächst schwer. Trifft man sich mit Christina Voit am „Golf Club Bad Mergentheim“ in Igersheim, wo sie ihre geführten Spaziergänge startet, setzt sie genau dort an: „Ich empfehle den Teilnehmern nicht nur das Handy auszumachen, sondern auch kein Tracking mitlaufen zu lassen und die Fitnessuhr abzunehmen. Wie schnell man unterwegs ist oder wie viel Strecke man macht, hat beim Waldbaden keine Bedeutung.“ Sie rät sogar dazu, Kinder oder Hunde zu Hause zu lassen. Aber nicht etwa, weil sie diese nicht mögen würde. „Mit Kindern oder Hund unterwegs zu sein, bedeutet immer, Verantwortung zu tragen. Beim Waldbaden aber darf man all seine Aufmerksamkeit sich selber schenken, das ist pure Zeit für sich selbst“, erklärt sie.
Ein bisschen dauert es, bis der Körper den langsamen Schlenderschritt annimmt, der uns nun durch den Wald im Erlenbachtal führt. Christina Voit kennt ihn wie ihre Westentasche, denn sie ist in Bad Mergentheim aufgewachsen und häufig im Lieblichen Taubertal unterwegs. Sie begleitet Reisegruppen durch die Ferienlandschaft, ist Stadtführerin in ihrer Heimatstadt und bietet auch geführte Radtouren oder Weingästeführungen an.
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Vorwissen für das Waldbaden braucht es nicht, Christina Voit hat sogar speziell Führungen für Anfänger im Programm. Mit den Übungen, die die Waldbadebegleiterin ihnen zeigt, können sie auch zu Hause zum Bad unterm Blätterdach aufbrechen. „Waldbaden ist überall möglich“, so die Expertin: „Wichtig ist nur, unterwegs das anzunehmen, was einem die Natur bietet.“
Ebenso ist das Waldbaden prinzipiell für jeden geeignet. „Nur wenn jemand auf einem extrem hohen Stresslevel ist, kann es schwierig werden“, schränkt Christina Voit ein. „Manche müssen sich dann erst körperlich abreagieren, bevor sie die Entspannung beim Waldbaden zulassen können.“ Denn erzwingen lässt sich auch hier nichts: „Wenn ich mir sage, dass ich jetzt entspannen muss, ist das keine gute Basis.“ Wird der Druck jedoch herausgenommen, ist das Waldbaden eine äußerst wohltuende Praxis, wie sie aus eigener Erfahrung weiß: „Waldbaden hilft mir sehr, durch Zeiten der Anspannung zu kommen. Ich reserviere mir dafür bewusst Termine im Kalender, das ist meine Zeit.“
Immer wieder hält Christina Voit mit ihren Teilnehmer:innen im Wald inne. Dann ist es Zeit für eine der Meditationsübungen, die dabei helfen, sich auf den Wald einzulassen. „Wer sich zum Beispiel auf eine Wurzel setzt und sich fünf Minuten mit geschlossenen Augen gönnt, merkt, wie sich die anderen Sinne weiten“, erklärt Christina Voit. Und tatsächlich: Mit jeder Minute verstärken sich die sinnlichen Eindrücke. Vögel zwitschern, der Erlenbach plätschert und die Blätter vibrieren im Wind: Die Stille im Wald ist niemals wirklich still.
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Wertschätzung für den Wald
Auch wenn die Augen wieder offen sind, bleiben die Sinne geschärft. „Es ist faszinierend wahrzunehmen, welch verschiedene Grüntöne das Laub eines einzigen Baums hat oder wie sich knorrige Wurzeln durchs Erdreich schlingen“, so Christina Voit begeistert. Und sie ergänzt, dass beim achtsamen Schlendern noch etwas anderes bewusst wird: „Unsere Wälder sind so ein großer Schatz. Sie schenken uns Holz und Sauerstoff und schützen uns vor Regen und Hitze. Was so gut für uns ist, muss man lieben und schätzen.“
Warum also nicht selbst eintauchen in die Ruhe und Schönheit des Waldes? Das Liebliche Taubertal bietet unzählige Möglichkeiten, die Natur mit allen Sinnen zu erleben. Sanfte Hügel, dichte Wälder und malerische Flusslandschaften laden dazu ein, auf idyllischen Wanderwegen oder Radstrecken die Umgebung zu erkunden. Ob ein entspannendes Waldbad unter uralten Bäumen, eine aussichtsreiche Radtour durch Weinberge und Felder oder ein Spaziergang durch charmante Altstädte mit ihren historischen Burgen und Fachwerkhäusern – hier verschmelzen Natur und Kultur zu einem einzigartigen Erlebnis.
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